Recherche: Fremde Orte beschreiben
Aktualisiert: 28. Nov. 2022
Dies ist ein Blogbeitrag für AutorInnen und solche, die es werden wollen. Manchmal träumt man sich mit dem Schreiben weg an fremde Orte. Aber wie beschreibt man ein Land oder eine Stadt, in der man noch nie gewesen ist? Ein paar Tipps:
Du schreibst einen Weihnachtsroman über eine Rentierfarm in Schweden und hast außer Michel und seinem Schnitzschuppen keine Bilder vor Augen? Dann solltest du jetzt in die Stadtbibliothek fahren und alle Bildbände über Schweden ausleihen.
Recherche Ziel 1: Finde Experten und sprich sie an
Das ist natürlich Quatsch. Du willst ja keinen Reiseführer schreiben, sondern das Leben auf einer Rentierfarm aus Sicht einer bestimmten Person vermitteln. Richtig? Dann suche dir jemanden, der aus genau dieser Perspektive berichten kann. Wenn es um Auswanderer geht, führt der allerkürzeste Weg - du ahnst es - über YouTube und Blogs. Dort kannst du unkompliziert wie nie Kontakt zu Leuten aufnehmen und sie direkt um ein paar ungefilterte Einblicke bitten.
„Kann ich mir nicht einfach ein paar Videos angucken?“, wirst du jetzt fragen. Klar, kannst du machen, dann klärst du aber nicht die Fragen, die für deinen Stoff wichtig sind. Dann bekommst du nur die Informationen, die irgendein YouTuber unbedingt loswerden wollte. Und das ist gut und gerne mal der Ärger mit dem Umzugsunternehmen und epische Ausführungen über das Heizen mit Holz. Willst du das? Brauchst du das?
Recherche Ziel 2: Suche nach persönlichen Verbindungen
Du bist noch nicht geübt in der Recherche und es fällt dir schwer, Fremde im Internet anzuquatschen? Kleiner Mutmacher: Menschen reden gern über Dinge, die ihnen wichtig sind.
Du fühlst dich trotzdem nicht wohl damit? Dann ist jetzt eine gute Gelegenheit, dein altes Adressbuch zur Hand zu nehmen. Wollte Tom Müller aus dem Englisch LK nicht ein Auslandsjahr in Smaland machen? Frag im Freundes- und Bekanntenkreis herum. Du glaubst gar nicht, mit welch faszinierenden Verwandten, Ex-Austauschschülern und Internet-Bekanntschaften deine Freude aufwarten können. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass ein alter Schulfreund von mir Tango in Argentinien gelernt hat, und dass meine Freundin K. ein paar Leute in der Filmbranche kennt.
Ihr seid AutorInnen, ihr wollt ein gesamtes Buch an diesem Ort platzieren. Traut euch, Menschen anzusprechen, die euch Eindrücke liefern können. Ich verspreche euch: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Menschen geschmeichelt fühlen, ist hoch.
Recherche Ziel 3: Finde die besonderen Details
Du willst gar nicht so sehr ins Detail gehen und einfach nur eine cosy Schweden-Romantik erzeugen? Lass dir trotzdem Details über das Leben dort erzählen, die deinen Roman plastisch machen und über rote Holzhäuser und Zimtschnecken hinaus gehen. Um einen Ort einzufangen, lebendig werden zu lassen, brauchst du Geruch, Farbe, Licht, das Gefühl von zwanzig Zentimeter Neuschnee unter den Füßen. Suche dir eine Szene, die du in deinem Buch unbedingt beschreiben willst, zum Beispiel den ersten Wintermorgen mit dem Gang zum Küchenofen und dem Blick zum Fenster heraus. Sind dort Eisblumen an der Scheibe? Ist der Ofen noch warm von der Nacht? Ist das Morgenlicht trüb oder klar? Mach deine Welt besonders, indem du in die Details gehst.
Recherche Ziel 4: Behalte deine Perspektive im Blick
Und noch einmal zum Thema Perspektive: Menschen, die an einem Ort groß geworden sind, betrachten ihn oft anders, als wir glauben. Meine philippinische Tante ist nie an den weißen Traumstränden ihrer Heimatinsel ins Meer gelaufen und hat Lobeshymnen über das türkisblaue Wasser gesungen. Sie hat wie viele Frauen ihrer Generation nie schwimmen gelernt.
Quellen, um mehr über einen Ort zu erfahren:
Web-Cams: Wie ist das Wetter? Wie viele Menschen sind auf der Straße?
Street View: Lauf Wege ab, um zu wissen, ob sich wirklich an einer bestimmten Stelle eine bestimmte Sicht auftut.
Social Media: Du willst mehr über einen speziellen Stadtteil wissen? Dann abonniere ihn als Hashtag bei Insta und du erfährst viel über das kulturelle und alltägliche Leben dort
Bücher, Filme, Serien: Wie wurde der Ort bislang dargestellt?
Maklerseiten: Wie leben die Menschen dort? Stein- oder Holzhaus?
Blogs, Reiseberichte
Online-Reiseführer, Touristenseiten, 360-Grad-Rundgänge durch Sehenswürdigkeiten