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  • AutorenbildVera Zischke

Recherche für Autoren: Gesprächspartner finden

Aktualisiert: 28. Nov. 2022

Dein Buch dreht sich um ein besonderes Schicksal und du suchst Menschen, die mit dir darüber reden? Dann blende jetzt eine kleine Glücksmelodie ein, dass wir nicht mehr in den 80ern leben, als man noch Brieffreundschaften aus Katalogen heraussuchen musste, um fremde Lebenswelten kennenzulernen. Hier erfährst du wo und wie du die richtigen Gesprächspartner für deine Buch-Recherche findest.



Inzwischen gibt es das Internet und unzählige Möglichkeiten, am Leben der anderen teilzunehmen. Und damit meine ich nicht nur Blogs und Vlogs und Instagram-Kanäle, von denen wir ja durchaus wissen, dass sie nicht immer die volle Wahrheit zeigen.

Es gibt auch die Möglichkeit, Selbsthilfegruppen, Hilfsorganisationen und Interessenverbände zu finden, die einen Kontakt zu Menschen herstellen können, die in besonderen Lebenssituationen leben. Warum ist das von Vorteil? Weil jemand dazwischensteht, der es gewohnt ist, angesprochen zu werden. Weil du nicht mit der Tür ins Haus fallen musst. Weil du und der Ansprechpartner der Organisation erst einmal gemeinsam überlegen könnt, was dein Gesprächspartner mitbringen sollte und wie viel Zeit ihr miteinander braucht.


Wen genau suchst du für dein Recherche-Gespräch?

Konkret gesprochen: Sagen wir, du suchst einen Gesprächspartner, der mit dir offen über seine Parkinson-Erkrankung, Reaktionen von Familie und Freunden und Behandlungsmöglichkeiten spricht. Es sollte jemand sein, der noch relativ jung ist, vielleicht Kinder hat und sein Leben lang Leistungssport gemacht hat. Es ist gut, dass du diese konkrete Vorstellung hast, denn du willst ja nicht das Krankheitsbild an sich recherchieren, sondern die Auswirkungen auf jemanden, der in einer bestimmten Lebenssituation steckt.

Da kann es sein, dass es sich einfach nicht richtig anfühlt, direkt mit Betroffenen Kontakt aufzunehmen und deine Checkliste mit ihnen durchzugehen. So nach dem Motto: „Hey, ich interessiere mich für dein Schicksal, aber nur wenn du…“


Diese Vermittler helfen dir bei der Buch-Recherche

Wenn du dich aber an eine Selbsthilfegruppe oder an einen Verein wendest, der auf seiner Webseite einen Ansprechpartner benennt, ist es ganz normal, erst einmal ein informatives Gespräch zu führen. Wenn ich als Journalistin anrufe, ist es üblich, dass ich deutlich sage, wen ich suche. Ebenso ist es üblich, dass PressesprecherInnen mir eine Einschätzung geben. Beispielsweise erfahre ich häufig, ob der potenzielle Gesprächspartner schon öfter Auskunft gegeben hat, ob er/sie ein guter Redner oder eher zurückhaltend ist. Du wiederum kannst ganz offen fragen, ob du sehr offene und persönliche Fragen stellen kannst und deine eigenen Unsicherheiten ansprechen. Du kannst auch ansprechen, wenn du Angst hast, deine GesprächspartnerIn zu retraumatisieren. Wer weiß, vielleicht mag der Vermittler ja zum Gespräch dazukommen.


Zudem haben die AnsprechpartnerInnen einen enorm guten Überblick und können mir sagen, ob die Person repräsentativ für den Krankheitsverlauf ist oder ob ihre Geschichte ungewöhnlich ist. Das ist vielleicht nichts was man Betroffene direkt fragen möchte. Aber wir als AutorInnen müssen es wissen, wenn wir eine Geschichte auf diesen Informationen aufbauen.


Kann ich einfach jemanden auf YouTube kontaktieren?

Heißt das, ich rate davon ab, einfach auf YouTube jemanden zu kontaktieren oder BloggerInnen anzuschreiben? Keineswegs. Mein Tipp ist allerdings: Entscheide nicht allein nach Sympathie, sondern auch danach, ob Alter, Lebenssituation etc. halbwegs passen.


Kleiner Exkurs: Was ist mit speziellen Berufsgruppen? Auch da gibt es Berufsverbände oder auch Nachwuchsinitiativen, die als Anlaufstelle dienen können. Bei speziellen Sportarten oder Hobbys könntet ihr es über Foren versuchen. Wenn ihr nicht selbst posten wollt, könnt ihr die Administratoren bitten. Die klären im Zweifelsfall erst einmal, ob ihr vertrauenswürdig seid, und können die Community entsprechend einstimmen.

Wann solltet ihr euer Recherche-Gespräch führen?


Bleibt noch die Frage, zu welchem Zeitpunkt ihr in die Recherche einsteigen solltet. Ich entscheide das immer im Einzelfall. In einem Fall habe ich mich damit begnügt, die Krankheit im Netz zu recherchieren und anschließend ein Sensitivity Reading von einer betroffenen Person in Anspruch zu nehmen. Was passt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie speziell das Schicksal ist und wie prominent es in eurem Werk vorkommt. Ich habe tatsächlich einmal nach einem solchen Gespräch ein Projekt abgebrochen, weil ich feststellen musste, dass mir die Lebenswelt so fremd ist, dass ich ihr nicht gerecht werden kann. Es handelte sich um eine Geschichte, die im Bundeswehr-Umfeld spielt.

Ich habe als Journalistin immer wieder die Erfahrung gemacht, dass der direkte Kontakt zu Menschen etwas ganz anderes ist, als sich ein Thema über passives Zuschauen oder eine Fakten-Recherche zu erschließen. Oft sind es ganz profane Details, die ein tieferes Verständnis bringen. Zum Beispiel habe ich heute erfahren, dass Hacker ihren Opfern inzwischen Anleitungen mitschicken, wie sie an Kryptowährung kommen, weil das das größte Problem bei schnellen Lösegeld-Erpressungen ist.


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