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  • AutorenbildVera Zischke

Wie unhappy darf ein Ende sein?

James Cameron ist es leid. 25 Jahre nach seinem Welterfolg „Titanic“ hat er untersuchen lassen, ob Jack (Leonardo DiCaprio) nicht doch hätte überleben können. Ein Beitrag über unglückliche Enden und ihre Nachwirkungen.


Wir erinnern uns: Am Ende treibt das Traumpaar Jack & Rose auf eine Wandvertäfelung (keine Tür!) auf dem eiskalten Meer zu. Jack überlässt Rose (Kate Winslet) das rettende Stück Holz, und besiegelt damit seinen eigenen Tod durch Erfrieren.


Drei Mal habe ich den Film im Kino gesehen und bin damit ganze 9,7 Stunden untergegangen - im eiskalten Atlantik und in meinem Tränenmeer. Und ich schwöre euch: Jedes Mal hat ein winziger Funke Hoffnung in mir die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass es diesmal anders endet. Denn diese grenzenlose Selbstlosigkeit muss doch belohnt werden! Und außerdem ist es nicht fair, wie Rose dafür gehasst wird, dass sie überlebt.


In meinen Augen hat das Ende die beiden Hauptdarsteller gegeneinander ausgespielt, die doch eigentlich eines der herzzerreißendsten Paare der Filmgeschichte sein sollten.



James Cameron ist da natürlich ganz anderer Ansicht. Er behauptet, dass die Größe der Liebe an der Größe des Opfers gemessen wird wie bei Romeo und Julia. Was mich direkt zu der Frage führt: Wann ist ein Unhappy End dramaturgisch vertretbar?

Fest steht: Wenn eine Geschichte tragisch endet, ist es vor allem das Ende, das in Erinnerung bleibt. An was denken wir beim Stichwort „Romeo und Julia“? Wohl kaum an das romantische Kennenlernen.


Es gibt Geschichten, die nicht gut enden können, weil Unrecht nicht Recht wird und Wunder nicht geschehen, nur weil man die Hauptfigur lieb gewonnen hat. Der Klassiker „Ein ganzes halbes Jahr“ von Jojo Moyes ist so ein Beispiel.


Und dann gibt es Geschichten, die enden gut, um uns Hoffnung zu schenken, wie etwa "Lorenzos Öl" von George Miller und Nick Enright. Auch eine Mischung ist eine gute Lösung, um abzubilden, wie ambivalent unsere menschliche Natur ist. Beispiel für eine Geschichte, die uns nachdenklich stimmt, ist „Wer die Nachtigall stört“ von Harper Lee.


Und dann gibt es diese Dramastoffe, da steckt keine gesellschaftliche Botschaft hinter, da geht es einfach nur um gutes Storytelling. In dem Fall kann ein Unhappy End einer Geschichte emotionale Tiefe und Fallhöhe geben oder das Publikum stinkwütend machen ("Zwei an einem Tag", anyone?!)


War der Tod von Jack also wirklich nötig oder nur ein billiger Effekt, um nachhaltig zu beeindrucken? James Cameron hat die Frage ganz offenbar auch nicht losgelassen. 25 Jahre lang hat er beteuert, dass dieses Ende dramaturgisch notwendig war. Und hat es die Welt interessiert? Nope! Jetzt also soll eine Studie endgültig beweisen, dass Jack wirklich keinen Platz auf dieser Holzvertäfelung hatte.


Und ich sage: Hey, James Cameron?! Nicht das Holzstück ist das Problem, sondern das Drehbuch! Hättest du ihnen halt eine anständige Tür gegeben. Oder meinetwegen zwei! Da trieb doch genug Zeug im Wasser rum. Sie hätten auseinander treiben und sich Jahre später wiederfinden können. Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, uns glücklich zu machen. Und alles was wir bekommen, ist ein Versuch mit einem Stück Holz. Buhuhuuuu!


Übrigens, wie ein bittersüßes Unhappy/Happy End wunderbar gelingen kann, hat uns Kate Winslet in dem Film „Labor Day“ gezeigt (nach dem Roman von Joyce Maynard, Drehbuch von Jason Reitman). Auch so ein Film, in den ich als Zuschauerin mein ganzes Herz gelegt habe und nur hoffen konnte, dass es nicht bricht. Spoiler: Gucken lohnt sich.

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